"ERST JAMMERN, DANN LACHEN"

Lachyoga -
finden manche lächerlich, andere sagen,
es sei eine ernste Sache

Lachyogatrainerin Anne Rauch zeigt Menschen, wie man lacht


Interview: FALKO MÜLLER

erschienen in der ZITTY - DAS HAUPTSTADTMAGAZIN Ausgabe 6/2006


Anne Rauch, Jahrgang 1963, ist seit 2002 Lachyogatrainerin. Die studierte Soziologin ist beim Gründer der Bewegung, Dr. Madan Kataria, ausgebildet worden. Lachyoga entstand im März 1995, als sich in Indien erstmals eine Lachgruppe traf. In Berlin gibt es Lachyoga seit Ende der 90er Jahre.

FM: Haben Sie heute schon gelacht?

AR: Morgens, wenn ich noch im Bett liege, lächle ich gerne mit geschlossenen Augen eine Weile vor mich hin und beginne dann zu kichern. Das schwemmt sofort jede schlechte Laune oder Grübelei weg. Probieren Sie es mal aus. Das funktioniert natürlich nicht nur morgens.

Gehört Lachen denn zu Ihrem normalen Tagesablauf?

Ich habe immer schon viel gelacht. Seit ich Lachyoga mache, stelle ich aber fest, dass ich wesentlich schneller als früher einfach lauthals über irgendwelche Kleinigkeiten loslachen muss, über die ich früher nur geschmunzelt hätte. Das genieße ich sehr. Lachübungen mache ich lieber mit der Gruppe. Die Übungen leben vom miteinander Lachen und sich gegenseitig anstecken. Manche kann man aber auch gut allein machen, beispielsweise mit einem Spiegel.

Gibt es denn beim Lachen verschiedene Stufen der Meisterschaft, so was wie ein schwarzer Gürtel im Lachen?

So kompliziert ist es glücklicherweise nicht. Die Übungen sind sehr einfach aufgebaut, so dass sie jeder machen kann. Wenn es so etwas wie Stufen gibt, dann nur insofern, wie sehr ich den Verstand beiseite lassen und mich auf das Lachen und die Faxen einlassen kann.

Die Schule des Lachyoga spricht vom Lachen ohne Grund. Muss man dennoch Humor haben?

Ich würde es nicht Humor nennen, sondern eher die Lust an einer kindlichen Albernheit. Das, was man zum Lachyoga braucht, hat jeder. Auch Menschen, die von sich selbst meinen, sie hätten keinen Humor. Humor ist immer auch eine Frage des Geschmacks. Ein Witz, den die einen lustig finden, verärgert oder verletzt die andern. Bei uns geht es um das Wiederentdecken und Wiederbeleben einer inneren, ursprünglichen und simplen Heiterkeit und Verspieltheit. Das ist ein wunderbarer Schlüssel, um die Pforte zum Lachen zu öffnen.

In Ihren Kursen gibt es richtige Lachübungen – was sind das für Übungen?

Es gibt das Ein-Meter-Lachen, das Cocktail-Lachen...

Ein-Meter-Lachen?

Das funktioniert so, als würde ich ein imaginäres Gummiband mit meinen Handflächen auf Brusthöhe immer weiter dehnen, begleitet durch ein....eeeeh...eeeh...eeeeeh..... bis mindestens ein Meter Spannbreite erreicht ist. Am Ende stehe ich also mit weit geöffneten Armen da ... und lache aus vollem Herzen. Das klingt vielleicht etwas merkwürdig und trocken. Aber die einzelnen Übungen bauen sich langsam auf, von leichtem Kichern zu herrlichen Sachsalven. Man muss es selbst erleben. Es gibt noch viele andere Übungen, zum Beispiel das Engelslachen, oder das Jammerlachen, wo man zuerst jammert und dann lacht.

Versucht man beim Jammerlachen aus einer schlechten Situation etwas Gutes zu machen?

Es geht allgemein beim Lachyoga nicht darum, immer zwanghaft gut drauf zu sein oder etwas Unangenehmes zu verdrängen. Beim Jammerlachen geht es darum, erst mal Jammern zu dürfen und dann in ein Lachen überzugehen.

Schaffen Sie es eigentlich, jeden zum Lachen zu bringen?

Es liegt nicht in meiner Hand, wie weit und wie schnell jemand bereit ist, sich aufs Lachen einzulassen. Von Erwachsenen wird ständig verlangt, vernünftig und kontrolliert zu sein und kaum Gefühle zu zeigen. Sicher sind manche daher am Anfang noch irritiert, dass sie nun genau das Gegenteil davon tun sollen. Aber es ist immer wieder erfreulich zu beobachten, dass die meisten, die anfangs noch skeptisch sind, schon nach der zweiten Übung zu Kichern anfangen. Manche brauchen aber auch mehr Zeit, Hemmungen zu lösen. Sehr wichtig ist, dass kein Leistungsdruck entsteht. Ein tollstes Lachen gibt es nicht, und es geht auch nicht darum, wer als erstes oder am lautesten lacht.

Was für Menschen kommen denn zu Ihnen?

Der Schwerpunkt liegt bei Menschen über 30, manchmal kommen aber auch Jüngere, die einfach gern ablachen. Einige sind auch über 60, leben allein, wollen sich aber nicht damit zufrieden geben, dass sie in ihrem Alltag immer weniger Gesellschaft und Anlass zum Lachen finden.

Kann zu viel Lachen auch schlecht sein? Muss man nicht auch mal traurig sein, wird da nichts verdrängt?

Wie schon erwähnt ist der Sinn von Lachyoga nicht, permanent nur zu lachen. So wie jemand, der gerne joggt, das ja auch nicht den ganzen Tag lang tut. Zum Menschsein gehört die ganze Gefühlspalette. Sich dauerhaft in den selben Gefühlen zu befinden ist tatsächlich unnatürlich, egal in welchem. Doch ich denke mal, dass die Menschen allgemein bedeutend mehr an zu wenig als an zu viel Lachen kranken.

Bekommen Sie eigentlich nach einer Lachparty manchmal Muskelkater?

Ich nicht mehr. Meine Lachmuskeln sind inzwischen doch ganz gut trainiert. Aber manchmal bin ich wunderbar schlapp gelacht.

Schlapplachen gibt es also, was ist denn mit totlachen?

Es ist noch kein Fall bekannt, dass sich jemand in einer Lachgruppe totgelacht hat.

Das wäre, Verzeihung, aber dennoch auch wieder lustig.

Ja, manche vermuten auch, dass das ein wunderbarer Tod sein müsste.

Lachen soll ja sehr gesund sein, auch physisch. Was passiert da?

Der ganze Körper gerät durch das Ruckhafte des Lachens in Wallung, in Vibration. Durch die verstärkte Atmung nehmen wir deutlich mehr Sauerstoff auf, die Durchblutung wird angeregt, die Verdauung ebenfalls – das Zwerchfell massiert sozusagen die ganzen inneren Organe. Der Kreislauf wird angeregt, der Puls geht erst mal hoch und senkt sich danach unter das Ausgangsniveau – der Körper wird also erst mal belebt und entspannt sich dann sehr tief. Es heißt übrigens, eine Minute kräftiges Lachen hat einen ähnlichen gesundheitlichen Effekt, wie 10 Minuten joggen. Das ist doch was, oder?

Und auf psychischer Ebene?

Das wichtigste ist, dass die Gedanken sich verflüchtigen. Man kann nicht gleichzeitig lachen und denken. Wenn ich mich auf das Lachen einlassen kann, dann erreiche ich das eigentliche Ziel aller Meditation: Mein Kopf ist leer, ich bin völlig in der Gegenwart und angenehm befreit vom ewigen Gedankenstrom.

Was ist mit der Stressreduktion, die auch als positiver Effekt genannt wird?

Die ergibt sich aus der körperlichen und geistigen Entspannung. Das Lachen führt zu einem wohligen Gefühl von Zufriedenheit und Leichtigkeit, alles scheint auf einmal spürbar in Ordnung - und das mit so geringem Zeitaufwand.

Was ist mit Lachen aus Schadenfreude? Das müsste ja physisch gesehen genau so gesund sein wie ein fröhliches Lachen.

Physisch vielleicht, aber nicht psychisch. Das Lachen aus Schadenfreude ist problematisch. Wenn man über andere lacht, ist man in Gefahr, dass diese beim nächsten Fehler über einen lachen. Man versucht deshalb krampfhaft, den anderen keinen Anlass zu bieten, sich über einen lustig zu machen. Das bringt latenten Dauerstress und das vielleicht kurzzeitig entspannende Triumphgefühl ist schnell wieder futsch.

Wie wichtig ist es denn, über sich selbst lachen zu können?

Das ist sehr wichtig, weil es extrem befreiend ist. Wenn ich über mich selbst lachen kann, dann muss ich keine Angst haben, mal einen Fehler zu machen, denn der Fehler liefert sogar noch einen neuen Anlass zum Lachen! Gerade in diesen stressigen Zeiten, in denen verlangt wird, dass man alles perfekt macht, ist das Lachen über sich selbst ein großes Geschenk.

Es gibt auch einen Verband der Lachyogatherapeuten. Da sind Sie nicht dabei, warum?

Es hat sich in der Entwicklung der deutschen Lachyogaszene irgendwann mal so ein wenig gezweigt. Es gibt auch eine Diskussion, ob man sich denn als Lachtherapeut bezeichnet. Ich tue das nicht. Lachen hat eine sehr therapeutische, befreiende Wirkung und ist vielleicht das großartigste Urheilmittel, das wir als Menschen mitbekommen haben. Für mich soll die Sache mit dem Lachen nicht so eine Schwere bekommen, so nach dem Motto: Ich muss eine Lachtherapie machen.


Weitere Informationen unter Tel 626 83 97 oder auf www.lachen-befreit.de

 

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